Bekämpfung der Clankriminalität – Wie schaffen wir mehr Sicherheit?
Wie wichtig die Bekämpfung der Clankriminalität ist, zeigen die Zahlen des Lagebildes: Es geht um 104 türkisch-arabische Familienclans, die zwischen 2016 und 2018 von den Spezialisten des Landeskriminalamtes identifiziert werden konnten. 6.449 Tatverdächtige begingen in dieser Zeit 14.225 Straftaten. Darunter waren 381 Täter, die mehr als fünfmal pro Jahr straffällig wurden - Mehrfachtäter, die für rund ein Drittel der gesamten Straftaten verantwortlich sind. Hier finden Sie das Lagebild zur Clankriminalität.
Mitglieder krimineller Clans in Nordrhein-Westfalen begehen Gewaltdelikte, sie rauben, betrügen, stehlen und schüchtern die Bürgerinnen und Bürger in den Stadtvierteln ein. Sie erkennen das Gewaltmonopol des Staates nicht an und glauben, sich nicht an die Regeln halten zu müssen. Lange wurde das Phänomen verharmlost. Doch spätestens nach dem Erscheinen des Lagebildes ist klar: „Wir haben es hier nicht mit Eierdieben und Tabakschmugglern zu tun. Clankriminalität ist keine Kleinkriminalität. Wir reden teilweise sogar von schweren Verbrechen bis hin zu Tötungsdelikten“, erläutert Herbert Reul.

Was macht einen Clan aus?
Um Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen umfassend bekämpfen zu können, war es wichtig, das Phänomen zunächst präzise zu beschreiben. Wie ticken kriminelle Clanmitglieder, was treibt sie um, wie leben sie, woran orientieren sie sich, wer sind diese Menschen, die abseits der bürgerlichen Gesellschaft die Städte unsicher machen? Um dies zu erfahren, wurde das Projekt KEEAS (Kriminalitäts- und Einsatzbrennpunkte geprägt durch ethnisch abgeschottete Subkulturen) initiiert, eine Strukturanalyse der Clans in Nordrhein-Westfalen. So ergab sich ein genaueres Bild der Clanmitglieder: Sie definieren sich über die Ethnie und die Zugehörigkeit zu ihrer Familie. Es handelt sich überwiegend um Angehörige der Volksgruppe der Mhallamiye, die aus der Türkei und dem Libanon stammen. Außerdem um weitere Menschen libanesischer Herkunft. Ein großer Teil der kriminellen Clanmitglieder verfügt mittlerweile aber auch über die deutsche Staatsbürgerschaft oder ist staatenlos. Typisch für Clans ist die bedingungslose Loyalität innerhalb der Familie. Viele Familienmitglieder erkennen die Autorität des Staates nicht an. Wichtig ist ihnen ihre so genannte Familienehre. Die Folge: Sie schotten sich gegen die Außenwelt ab und versuchen, ihre Interessen mit teilweise massiver Gewalt durchzusetzen. Allerdings gilt auch: „Man muss aufpassen, dass nicht ganze Volksgruppen kriminalisiert werden. Die Mehrheit der Menschen, die den Namen einer einschlägigen Clanfamilie tragen, lebt hier ohne Fehl und Tadel“, stellt Reul fest.

Strategie der 1000 Nadelstiche
Das Konzept des Innenministeriums gegen Clankriminalität wird im Wesentlichen von drei Säulen gestützt:
- Razzien und Kontrollen durch Polizei, Zoll und Ordnungsämter: die „Strategie der 1000 Nadelstiche“
- den Austausch und die stärkere Vernetzung der Polizei mit anderen Behörden, vor allem auch um Finanzermittlungen gegen Clans zu führen: der „administrative Ansatz“.
- Außerdem sollen Präventionsprogramme einen Ausstieg krimineller Clanmitglieder aus dem Milieu erleichtern, wobei hier ein Schwerpunkt auf Kindern und Jugendlichen liegt.
Im Themenforum voneinander lernen
An der Ruhr-Konferenz beteiligt sich das Innenministerium ebenfalls mit dem Thema „Bekämpfung der Clankriminalität – Wie schaffen wir mehr Sicherheit?“.

In diesem Rahmen gab es bisher zwei Veranstaltungen, die helfen sollen, kriminelle Clans besser zu verstehen, effektiver gegen sie vorzugehen und Projektthemen für eine umfassende und nachhaltige Bekämpfung zu erarbeiten.
In Essen fand am 31. Januar 2019 ein großes Symposium unter dem Titel „360 Grad - Maßnahmen gegen die Clankriminalität“ statt, ebenfalls das erste seiner Art in Deutschland. Etwa 560 Experten - Kriminologen, Polizisten, Theologen, Juristen, Islamwissenschaftler und Fachleute aus den Kommunen - nahmen daran teil. „Wir bieten hier eine Plattform, auf der sich die Experten über die neuesten Erkenntnisse zum Phänomen der Clankriminalität austauschen und Netzwerke bilden können“, beschrieb Minister Reul das Ziel der Veranstaltung.

„Wir wollen uns einen Rundumblick auf das Problem verschaffen."
Fachleute standen an verschiedenen Ankerpunkten bereit, um die Teilnehmer des Symposiums zu informieren und Netzwerke zu erweitern. So schilderten etwa Beamte aus Essen ihre Erfahrungen im Einsatz. Gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen und dem Zollfahndungsamt Essen wurde die Rolle und Problematik der Shisha-Bars erörtert, mit der Stadt Dortmund wiederum das Carposing und die Frage, wie die zur Schau gestellten Luxusautos eingezogen werden können. Das „Follow the Money“-Prinzip wurde durch das Landeskriminalamt sowie durch die Stadt und das Jobcenter Duisburg erläutert. Ein Ergebnis des Symposiums war, dass die Informationen über Clans noch besser gebündelt werden müssen, um so die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden zu verbessern.
Abgestimmte Zusammenarbeit für bessere Ergebnisse
Wie eine verbesserte Zusammenarbeit konkret aussehen könnte, war Thema der zweiten Veranstaltung im Rahmen der Ruhr-Konferenz am 17. Mai 2019 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen mit 130 Teilnehmern.
Eine erfolgreiche Bekämpfung des Phänomens könne nur durch das Engagement und die enge Zusammenarbeit aller verantwortlichen Behörden und Partner erzielt werden, beschrieb Reul die Ausgangslage. Der Innenminister machte deutlich: „Wir brauchen da einen langen Atem. Zumindest in meiner Amtszeit wird uns aber die Luft nicht ausgehen - da soll sich niemand falsche Hoffnungen machen.“
Michael Schemke, Referatsleiter aus der Polizeiabteilung des Innenministeriums, fasste die bisherige Arbeit des Innenministeriums innerhalb des Themenforums der Ruhr-Konferenz zusammen. Der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität im LKA, Thomas Jungbluth, präsentierte Auszüge aus dem neuen „Lagebild Clankriminalität“ und verdeutlichte damit die besondere Belastung des Ruhrgebietes. Der Essener Polizeipräsident und Co-Moderator des Themenforums, Frank Richter, appellierte an die Teilnehmer: „Lassen Sie uns heute darüber reden, was geht und nicht darüber, was nicht geht.“ In insgesamt acht Workshops entwarfen die 130 Spezialisten aus dem Ruhrgebiet Maßnahmen zur weiteren Bekämpfung der Clankriminalität. Die Fachleute diskutierten, schilderten ihre Möglichkeiten, fanden Schnittmengen - am Ende standen viele konkrete Ideen im Raum,
Die Ergebnisse beider Veranstaltungen fließen derzeit in einen Projektentwurf ein, der im Rahmen der Ruhr-Konferenz an die Staatskanzlei übermittelt wird. Das Ziel ist klar definiert: Eine ressortübergreifende, umfassende und nachhaltige Bekämpfung der Clankriminalität von allen Seiten. Das staatliche Gewaltmonopol muss erhalten bleiben. Zugleich gilt es, das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu steigern und den Respekt zu stärken.